Passend zum 200-jährigen Jubiläum zieht der Bonner Karneval in den Barbarastollen ein. Hier sind auf Mikrofilmen neben historischen Abbildungen auch Fotos und literarische Werke zu finden.
Unter dem Titel „Mikrofilmdokumentation des Kulturgutes Karneval“ werden auch der Kölner Karneval sowie die Alemannische Fastnacht für die Nachwelt festgehalten. Der Barbarastollen bei Freiburg gilt als „kulturelles Gedächtnis“ der Bundesrepublik Deutschland. Die Mikrofilme werden in Spezialbehältern aufbewahrt und sollen so mindestens 500 Jahre halten.
Das Karnevals-Material wurde zum 50. Jubiläum des Stollens eingebracht. Bei der feierlichen Einlagerung waren für den Festausschuss BONNER KARNEVAL e.V. Dr. Marcus Leifeld (im Festausschuss als Archivar und Historiker) und Prof. Dr. Karl-Heinz Erdmann (im Festausschuss für hist. Publikationen/ Ausstellungen) vor Ort.
Im Interview berichten Dr. Marcus Leifeld und Prof. Dr. Karl-Heinz Erdmann von der Veranstaltung, dem Auswahlprozess und den Inhalten der Mikrofilme des Bonner Karneval.
Dr. Marcus Leifeld: Zunächst einmal wird man sich der besonderen Bedeutung dieses idyllisch, in der Nähe Freiburgs gelegenen Ortes im Gebirge bewusst. Etwa 400 Meter tief im Barbarastollen finden sich in Behältnissen bei etwa 10 Grad Celsius und einer Luftfeuchtigkeit von 35 Prozent weit mehr als 1 Milliarde historische Dokumente, angefangen bei einer Urkunde Karls d. Gr. aus dem 8. Jahrhundert, über Digitalisate des Original-Grundgesetzes der Bundesrepublik, Dokumente Ludwig van Beethovens und vieles andere mehr. Die Lagerung garantiert die Erhaltung der seit 1975 auf Mikrofilmen gebannten Dokumentenkopien für die nächsen 500 Jahre.
Im Weiteren ist man dankbar, dass die Dokumente des rheinischen Karnevals und der schwäbisch-alemannischen Fastnacht als erstes immatrieles Kulturgut gemeinsam mit vielen bedeutendenen Dokumenten der Geschichte der Bundesrepublik gesichert werden. Dies ist eine besondere Anerkennung der Bedeutung auch des Bonner Karnevals durch das Bundesamt für Katastrophenschutz und Bevölkerungssicherung. Anwesend bei der Jubiläumsfeier waren neben dem aktuellen Leiters auch der ehemalige Leiter des BBK, Herr Unger, sowie der Präsident des Bundesarchivs Berlin, Prof. Dr. Michael Hollmann.
Prof. Dr. Karl-Heinz Erdmann: Als ich vor Ort eintraf, gingen mir viele Erinnerungen durch den Kopf. U. a. fiel mir ein, wie wir mit den Arbeiten zu diesem komplexen Projekt begonnen haben. Im Frühjahr 2020 startete das in Deutschland für den Kulturschutz zuständige und in Bonn-Lengsdorf ansässige „Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe“ (BBK) das Projekt „Mikrofilmdokumentation des Kulturguts Karneval“ (MiDoKa). Das Projekt hatte und hat zum Ziel, zentrale und bedeutende Dokumente des Brauchkomplexes „Karneval“ zusammenzustellen und langfristig im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland (ZBO), dem Barbarastollen in der Nähe von bei Freiburg im Breisgau, zu sichern. Zahlreiche Treffen fanden im BBK (später, während der Zeit der Coronapandemie, auch im virtuellen Raum) statt, bei denen in großer Runde unter Beteiligung der Festausschüsse aus Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf (A-B-C-D) grundsätzliche inhaltliche wie strategische Fragen der Auswahl geklärt werden mussten. Dis war notwendig, da beim BBK bislang keinerlei Erfahrungen vorlagen, wie auch das immaterielle Kulturerbe Deutschlands langfristig für mindestens 500 Jahren ohne Informationsverlust gesichert werden. Dem Karneval kam damit die verantwortungsvolle Aufgabe zu, einen Weg zu finden, den anschließend auch Vertreter anderer Bräuche und kultureller Ausprägungen bei deren Mikrofilmdokumentation beschreiten können. Im Sommer 2020 wurde dann ein Wissenschaftlicher Beirat etabliert, dem dann die Sichtung und Auswahl der Dokumente aus den Karnevalshochburgen oblag, die auf Mikrofilm abgelichtet und schlussendlich auch eingelagert werden sollten. Für uns, die Vertreter des rheinischen Karnevals war sehr früh klar, dass wir das Vorhaben nur gemeinsam mit Vertretern der „Schwäbisch-Alemannischen Fastnacht“ umsetzen konnten und wollten, mit denen wir bereits an der Beantragung der Aufnahme des Brauchkomplexes „Fastnacht – Fasching – Karneval“ auf die „Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ der UNESCO arbeiten. So kam es schon sehr früh zu einer inhaltlichen Ausweitung des MiDoKa-Projektes um die Alemannische Fastnacht im Südwesten Deutschlands. Schön war es, alle die Kollegen am Barbarastollen zu treffen, mit denen wir über Jahre um den richtigen Weg beraten und gerungen haben. Ich denke, dass sich das Ergebnis wirklich sehen lassen kann, wird es doch von den Vertretern des rheinischen Karnevals wie auch der Alemannische Fastnacht uneingeschränkt getragen. Und gemeinsam gefeiert, eine Kernkompetenz von Karneval und Fastnacht, haben wir am Barbarastollen natürlich auch.
2. Was ist in dem Behälter drin vom Bonner Karneval
Dr. Marcus Leifeld: In den Behältnissen finden sich auf Mikrofilm gebannte schriftliche Dokumente und Bildnisse des rheinischen Karnevals und der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Aus Bonn sind dies die Fastelovendszeidungen von den 1950er-Jahren bis heute, Bildnisse besonders wichtiger Ereignisse (Bönnsche Ballstück am Hofe des Kölner Kurfürsten in Bonn von 1754, Scherenschnitte der Maskenzüge Mitte der 1840er-Jahre, das erste Züchelchen in den Bonn nach Ende des Zweiten Weltkriegs (1949)), das Pressearchiv mit mehr als 40.000 Presseartikel von 1826 bis heute, Publikationen zur Geschichte des Bonner Karnevals.
Prof. Dr. Karl-Heinz Erdmann: Bewegend ist es schon, zu wissen, dass es auch eigene Publikationen, in die "Tonne" geschafft haben. Für deren Aufnahme hatten sich im Auswahlprozess vor allem die Kollegen aus den anderen beteiligten Organisationen stark gemacht.
3. Was war die Schwierigkeit bei der Auswahl
Dr. Marcus Leifeld: Wenngleich eine große Anzahl an Mikrofilmaufnahmen erstellt werden konnten, war man in der Auswahl der Dokumente beschränkt. Es galt dabei einerseits die (kleinteilige) Organisation und die Durchführung des Karnevals mit ihren Entwicklungen und Veränderungen festzuhalten, andererseits besondere kulturelle Höhepunkte des Bonner Karnevals zu dokumentieren. Dazu gehören Ereignisse am Hofe des Kölner Kurfürsten, der Karneval in der 1848-Revolution in der Universitätsstadt Bonn und dann auch der Karneval in der Bundeshauptstadt. All dies sind Alleinstellungsmerkmale Bonns. Für die Auswahl nicht nur zum Bonner Karneval ist eigens ein wissenschaftlicher Beirat mit Historikern, Geografen, Archivaren, Kulturanthropologen usw. eingerichtet worden, um eine sachgerechte Lösung zu finden. Die Auswahl speziell der Bonner Dokumente und Bildnisse war insbesondere deshalb möglich, weil das Archiv seit vielen Jahrzehnten gut geführt ist und insbesondere in den letzten Jahren intensive Forschungen zu verschiedenen Aspekten der Geschichte des Karnevals durchgeführt worden sind.
4. Wie lange hat der Prozess jetzt gedauert, von der Beantragung bis zum Einfahren
Dr. Marcus Leifeld: Der Prozess hat viele Jahre gedauert, weil kaum Kenntnisse zur Sicherung von immatriellen Kulturgut aus einem solchen gesellschaftlichen Bereich vorlagen. Erste konzeptionelle Gespräche wurden bald nach der Anerkennung des rheinischen Karnevals als immatrielles Kulturerbe in NRW und dann in der BRD 2014/15 geführt. Diese fanden zunächst zwischen dem BBK und dem Festausschuss Bonner Karnevals statt und wurden dann nach und nach ausgeweitet. Die Phase der konkreten Umsetzung erfolgte dann ab dem Jahren 2020 bis zur feierlichen Einlagerung im Oktober 2025.